06
Juli
2023

Das Dilemma der Neurodiversen

Viel wird in den letzten Jahren von Diversität gesprochen, vor allem im Bereich der Geschlechterrollen und das ist gut so, sofern es nicht der einzige Punkt des eigenen Wesens ist, über den man sich definiert. Weniger Aufmerksamkeit als das Geschlecht bekommt typischerweise die Diversität der neuronalen Ausprägung, wenn gleich sie vermutlich weit mehr Menschen betrifft.

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Das regenbogenfarbige Unendlichkeits-­zeichen repräsentiert sowohl die Vielfalt des Autismus-Spektrums als auch die größere Neurodiversitätsbewegung.

Quelle: Wikipedia - Art.: Neurodiversität

Ein anderes Betriebssystem im Kopf

Um ein beliebtes Bild zu verwenden läuft bei den meisten Menschen Windows auf dem PC, bei anderen läuft Linux. Kompatibilität zwischen den Betriebssystemen ist ein großes Problem und so stellt sich auch oft für neurodiverse Personen das Problem, dass sie in einer Welt voller Windows-Nutzer gar nicht erklären können, wie ihr Betriebssystem funktioniert und von Seiten der Windows-Nutzer gar kein Interesse daran besteht, die Funktionsweise anderer Betriebssysteme zu verstehen, weil eben Windows der Standard ist – nicht unbedingt das beste oder sicherste System aber eben für den Durchschnitt leicht zu bedienen. 
 

Die größte unbekannte Minderheit in unserer Gesellschaft

Der Begriff der Neurodiversität wurde in den 90ern eingeführt, um der zuvor herrschenden Pathologisierung von abweichenden neurologischen Ausprägungen, wie z. B. Autismus-Spektrum-Störungen oder ADHS entgegen zu treten. Seit dieser Einführung werden andere Neurotypen in der Fachwelt eher als eine Bereicherung für die Gesellschaft angesehen, als als kranke und behandlungsbedürftige Abweichungen von der Norm. Das erspart den Betroffenen schon eine Menge Leidensdruck, denn es ist eben für neurodiverse Persönlichkeiten nicht möglich, ihre Art zu denken und zu fühlen zu ändern. Nichtsdestotrotz besteht, auf Grund der Gesellschaft, die auf Abweichungen von der Norm in der Regel mit Abwehr und Ausgrenzung reagiert, noch immer ein hoher realer Leidensdruck und Anpassungszwang, der bei den Betroffenen zu schweren inneren Anspannungen führt. Oft wissen neurodiverse Betroffene noch nicht ein mal, dass sie einfach neurodivers sind und halten sich statt dessen einfach für verrückt, krank oder falsch. Daher begeben sie sich oft in therapeutische Behandlung und hier besteht das Dilemma, denn Therapie funktioniert in der Regel nur dann, wenn Verständnis vorhanden ist und wenn ein neurodiverser Patient auf einen neurotypischen Therapeuten trifft, kann kein reales Verständnis aufkommen, egal wie sehr sich ein neurotypischer Therapeut theoretisch auf eine solche Begegnung vorbereitet hat. Er/Sie wird niemals die Lebenserfahrungen einer neurodiversen Person gemacht haben, was aber die Voraussetzung für authentisches Verständnis und tiefe Heilung darstellt. Für neurodiverse Patienten ist es daher ein großer Glücksfall, eher nicht die Regel, auf einen ebenfalls neurodiversen Therapeuten zu treffen und eine erfolgreiche Therapie zu erfahren. In der Regel nehmen die Patienten so viele Informationen wie möglich mit, arbeiten an sich selbst aber am Ende bleibt oft das quälende Gefühl wieder nicht wirklich verstanden und in seinem Anderssein gesehen worden zu sein. Genau das aber ist oft der Kern des Leidens. 

Therapie wirkt nur, wenn man sich verstanden fühlt

Zu mir kamen oft genau diese „austherapierten“ Patienten, die bereits viele Jahre durch Kliniken und Einzeltherapien gegangen sind. Meist sind es geistig sehr aufgeräumte Menschen, die unglaublich viel Zeit und Energie in ihre Psyche gesteckt haben, bei denen aber einfach nie „der Knoten platzen“ wollte und das ist auch verständlich, denn der Knoten sitzt nicht im Kopf und kann nicht in Therapieformaten gelöst werden, die für neurotypische Patienten geschaffen wurden. Um bei dem Betriebssystem-Bild zu bleiben: Diese Programme laufen einfach nicht unter Linux. 
Also wenn du dich angesprochen fühlst, dich andersartig in deinem Denken, Fühlen und Erleben empfindest, schaue genau hin, ob du dich wirklich in deinem Therapieformat verstanden fühlst oder ob du dich nur wieder versuchst neurotypischen Angeboten anzupassen, weil deine Umwelt nie in der Lage war, deine Andersartigkeit zu verstehen! Suche dir Unterstützung bei Menschen, die zumindest eine Ahnung davon haben was es bedeutet anders zu sein, denn nur dort wirst du ein authentisches, emotionales Feedback erhalten und verstehen lernen, dass dein Anderssein eine Bereicherung für diese Welt ist, eine Stärke, die, richtig eingesetzt, Berge versetzen kann. Aber so lange du dich versuchst an eine Gesellschaft anzupassen, die dich nicht ein mal versucht zu verstehen, wirst du einfach nur deine Energie in einem aussichtslosen Kampf verschwenden und mit dir selbst unzufrieden sein. Finde Dich Selbst! Du bist richtig so andersartig, wie du bist!

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